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Verstrahlte Zukunft

Gesundheitsgefahren durch kabellose Laptops.

von Siegfried Schwarzmüller, GEW Hessen

Unter dem Primat der "Effizienzsteigerung" geschehen derzeit in den Schulen fast unbeachtet und unreflek-tiert Dinge, die früher zu regen Diskussionen und Aktionen geführt hätten. Oft ohne hinreichende Information und Beteiligung der Beschäftigten werden z. B. in Hessen an rund 100 Schulen unter dem Deckmantel von "Medienkompetenz", einer "neuen Lernkultur" und eines "besseren Unterrichts" Schülerinnen und Schüler mit Laptops ausgestattet. Der Einsatz dieser mobilen Computer hat vordergründig sicher einige Vorteile wie Raumersparnis und Flexibilität bei der Handhabung.
    

Bessere Bildung durch WLAN?

Gleichzeitig mit der Einrichtung der Schülerarbeitsplätze wird von der Landesregierung und den Schulträgern jedoch eine neue Technik eingeführt, gegen die aus gesundheitlicher Sicht starke Bedenken bestehen. Nach Auffassung der Initiative Schule@Zukunft, in der Landesregierung, Schulträger und hessische Unternehmerverbände zusammenarbeiten, kommt als Laptop "nur ein WLAN in Frage". Bei dem derzeit forcierten Verfahren der WLAN-Technik (Wireless-Local-Area-Network) steht im Klassenraum oder im Schulhaus ein Sender, über den die Lernenden kabellos untereinander kommunizieren oder mit den Peripheriegeräten und dem Internet verbunden sind. Ihre Laptops sind dabei selbst Sender und Empfänger. Bei diesen Aktivitäten entstehen an jedem Schülerarbeitsplatz hochfrequente pulsierende elektromagnetische Felder, deren gesundheitsschädliche Auswirkungen inzwischen allgemein bekannt und anerkannt sind. Schon 2001 kam die unabhängige Arbeitsstelle für Umweltfragen der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau zu dem Schluss, eine große Zahl von Experimenten lasse "den Schluss zu, dass Lebewesen auf diese Strahlung reagieren." Vorsorgender Gesundheitsschutz ist hier dringend angeraten, vor allem auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit, wo der sorglose Umgang mit als harmlos geltenden Substanzen wie Holzschutzmittel, Asbest, FCKW auch an Schulen zu verheerenden gesundheitlichen Gefährdungen und finanziellen Folgen geführt hat.

    

Hochfrequente Strahlungen

Bei einer Raumvernetzung ist es noch weitgehend eine individuelle Entscheidung, ob die Schülerinnen und Schüler über Kabel oder Sender untereinander kommunizieren und mit dem Netz verbunden sind. Bei einer Schulvernetzung gibt es für die Beschäftigten jedoch keine Entscheidungsmöglichkeit mehr, ob sie sich der zusätzlichen Strahlung aussetzen möchten oder nicht. Ähnlich wie in Wartehallen der Flughäfen und in großen Bahnhöfen sind sie während des Arbeitstages ständig den elektromagnetischen Feldern der WLAN-Sendeanlagen ausgesetzt. Je nach Arbeitsplatz sind dabei unterschiedliche Belastungen möglich. Durch Überlagerungen und Spiegelungen können hier unbemerkt auch extrem hohe Strahlungswerte erreicht werden. An einem Arbeitsplatz in der juristischen Bibliothek in Göttingen hat die Zeitschrift Öko-Test bei der Flussdichte, der Maßeinheit für hochfrequente Strahlungen, einen Spitzenwert von 23 000 µW/qm* gemessen. Der amtliche Grenzwert in der Bundesrepublik liegt derzeit bei 10 W/qm.

Ohne Kabelverbindung muss die WLAN-Anlage auch nachts eingeschaltet und über Funk mit dem Netz verbunden sein, da in dieser Zeit die Fernwartung des Schulsenders mit den in den "Dockingstations" zugeschalteten Laptops durchgeführt wird.

Im November 2002 hat die Zeitschrift Öko-Test bei einer umfangreichen Untersuchung festgestellt, dass besonders von den sendenden Laptops mit ihren WLAN-Karten eine beträchtliche Strahlendosis ausgeht. Sie liegt oft erheblich über den empfohlenen Vorsorgewerten und an Brennpunkten auch über den amtlichen Grenzwerten. Auch das nova-Institut hatte zuvor schon bei seiner Untersuchung zur WLAN-Anlage der Universität Bremen festgestellt, dass man hier bei einer Arbeit an den Notebooks "mit einer Überschreitung der Vorsorgewerte rechnen" muss. Zu der in unserem Kulturkreis ohnehin schon vorhandenen massiven Beeinträchtigung durch unnatürliche elektromagnetische Felder (zum Beispiel Handy, DECT-Telefon, Mikrowelle, Bildschirme) werden in der Schule Kinder, Jugendliche und Lehrerkräfte damit zusätzlichen Gesundheitsgefahren ausgesetzt, die ohne großen Aufwand vermeidbar wären. Ohne jegliche quantitative und qualitative Einschränkung ist es auch mit einem handlichen Laptop möglich, wie bisher über Kabel im Internet zu arbeiten und so die zusätzliche Strahlenbelastung durch die WLAN-Sendeanlage zu vermeiden. Es ist dafür nur ein Kabel zu legen und mit dem Netz zu verbinden. Auch Peripheriegeräte wie ein zentraler Drucker lassen sich weiterhin über Steckkontakt oder mittels Diskette bedienen.

   

Fast alles spricht gegen WLAN

Neben der Vorsorge käme eine solche Ausstattung der Schulen die Städte und Kreise sogar finanziell günstiger, weil die Komponenten für den Funkbetrieb entfallen würden. Gegen die WLAN-Technik sprechen auch die von außen beeinflussbare Datenübertragung, die gegenüber Kabelverbindungen reduzierte Arbeitsgeschwindigkeit und Belastbarkeit der Anlagen, die begrenzte Eignung für die Durchführung von Prüfungen und die Störungen im alltäglichen Gebrauch. Fremde Vorgaben und Interessen der Industrie scheinen allerdings schwerer zu wiegen als alle gesundheitlichen, technischen, finanziellen und pädagogischen Einwände. Gegenpositionen und Bedenken werden wohl auch deshalb verschwiegen, um eine neue, Gewinn bringende Technik in einem Großversuch rasch umsetzen und ausprobieren zu können. In einigen Schulbezirken wird die Technik sogar an Grundschulen "erprobt". Kinder werden dabei zu Versuchsobjekten.

Rechtlich Einspruchsmöglichkeiten gibt es kaum: Bei der WLAN-Einrichtung in den Schulen liege "alles unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte", lautet wieder einmal die Rechtfertigung. Die 1996 (!) in der Verordnung über elektromagnetische Felder festgelegten Grenzwerte, die als Rechtsgrundlage angeführt werden, berücksichtigen nur die Temperaturauswirkungen dieser Strahlungen. Bei den pulsierenden hochfrequenten Feldern gibt es jedoch bereits bei geringer Leistungsflussdichte von der Temperatur unabhängige Wirkungen. Sie verursachen bei Menschen Beschwerden wie Kopfschmerz, Bluthochdruck, Konzentrationsstörungen und können auch zu bleibenden gesundheitlichen Schädigungen führen. Das ECOLOG-Institut in Hannover hat inzwischen eine Vielzahl von Studien über die gesundheitliche Belastung durch elektromagnetische Felder ausgewertet und konnte dies wissenschaftlich begründet bestätigen. Zum Schutze der Gesundheit ist daher heute nicht mehr von den alten, unzureichenden Grenzwerten auszugehen, sondern von einem alle bislang bekannten Einflüsse berücksichtigenden Vorsorgewert, den es dann bei der Beurteilung von Strahlenbelastungen unbedingt einzuhalten gilt. Die Schweiz hat dies bereits umgesetzt. Hier gelten für die Leistungsflussdichte offiziell 0,1 W/qm als Vorsorgegrenzwert. Dies ist 1/100 des in der Bundesrepublik geltenden Grenzwertes. Das ECOLOG-Institut empfiehlt auf Grund seiner Untersuchungen 0,01 W/qm als Vorsorgewert. Bereits bei diesem Wert wurden in Studien negative Einflüsse auf die Gehirnfunktionen - Gehirnströme, Reaktionsvermögen, Blut-Hirn-Schranke - festgestellt. Bei Untersuchungen hat Öko-Test an einzelnen Laptops Werte ermittelt, die höher liegen als diese Vorsorgewerte.

   

Fast schon Körperverletzung

Bei der unkritisch betriebenen Medienausstattung der Schulen mit Sendern und strahlenden Laptops wird auch nicht berücksichtigt, dass es sich ja um Kinder und Jugendliche handelt, die an ihnen oft stundenlang tätig sind. Im Jahr 2000 kam in England eine von der Regierung beauftragte unabhängige Expertengruppe zu dem Ergebnis, dass Kinder - wegen des sich noch entwickelnden Nervensystems und einer um etwa 60 Prozent höheren Aufnahmefähigkeit für energetische Strahlungen - weit verwundbarer sind als Erwachsene. Für sie müssten daher noch strengere Maßstäbe bei den Vorsorgewerten gelten. Kinder bewusst solchen Gefahren auszusetzen, grenzt an Körperverletzung.

Nicht bedacht wird auch bei der Argumentation, dass in den Räumen der Schule häufig nicht nur ein Gerät die pulsierenden, hochfrequenten elektromagnetischen Strahlen erzeugt, sondern dass es 20 oder mehr Schülerinnen und Schüler sind, die im Unterricht mit diesen Geräten arbeiten. Nicht selten geschieht dies an Orten, an denen es bereits andere unnatürliche Strahlungsquellen gibt (Leuchtstoffröhre, Halogenlampe, Handy, Trafo). Es ist daher vorab nicht auszuschließen, dass durch eine Überschneidung der Felder die Vorsorgewerte für die elektromagnetische Belastung an den einzelnen Arbeitsplätzen weit überschritten werden. Sicher liegt die elektromagnetische Strahlung des einzelnen Laptops unter der eines Handys, doch erhöht er die Intensität der Belastung mit Elektrosmog. Auch die Nutzungsdauer spielt eine Rolle, die bei Informatik-Fachlehrkräften und Fachschülerinnen und Fachschülern mehrere Stunden pro Tag betragen kann.

Besonders geschützt werden müssen elektrosensible Personen, die wie Allergiker auf elektromagnetische Strahlungen reagieren. Dies sind drei bis fünf Prozent der Bevölkerung.

  

Keine Sender in Schulen!

Schon die hier kurz dargestellten Fakten und Argumente sind ausreichend, um zu dem WLAN-Projekt der Landesregierung und der Schulträger begründet "Nein!" zu sagen: "Keine Sender in Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen!" Dazu zählen neben der WLAN-Technik auch die kabellosen Bluetooth-Einrichtungen, DECT-Telefone und Handys. Über Kabel lassen sich die gleichen, bei der Arbeit mit Computern in der Übertragungsgeschwindigkeit sogar noch bessere Ergebnisse erzielen. Schutz und Vorsorge gegen gesundheitliche Beeinträchtigungen sollten wichtiger sein als das etwas bequemere Hantieren mit kabellosen Geräten.

Die GEW und die Personalräte im Land, in den Städten und Kreisen und in den Schulen müssen darauf Einfluss nehmen, dass Entscheidungen zur Medienausstattung der Schulen in diesem Sinne revidiert und Kinder und Lehrkräfte in den Schulen nicht bewusst zusätzlichen Gesundheitsgefahren durch elektromagnetische Strahlungen ausgesetzt werden.

Bei der Bewertung der Risiken gibt es sicher noch Unklarheiten, doch sollte die Vorsorge um die Gesundheit der Menschen ausschlaggebend sein. Weitere Hinweise sind von der REFLEX-Studie zu erwarten, die derzeit im Auftrag der Europäischen Union von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen europäischen Ländern durchgeführt wird. Sie untersuchen unter anderem die Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf Gewebeteile. Auch aus der INTERPHONE-Studie der Weltgesundheitsorganisation zur Handy-Strahlung können sich weiterführende Erkenntnisse ergeben. Zumindest bis zu den Abschlussberichten dieser offiziellen Untersuchungen (voraussichtlich 2007) sollte die Entscheidung zu WLAN an den Schulen zurückgestellt werden.

* nachträglich korrigiert: Statt 23.000 W/m² muss es heißen 23.000 µW/m². Ein erheblicher Unterschied: µW/m² ist der millionste Teil von W/m². Wir bitten um Entschuldigung! -w\   

   
Die möglichen Mobilität der Endgeräte und der einfachen und kostengünstigen Aufbau des Funknetzes sind die Vorteile. Dem stehen noch nicht abschätzbare Gesundheitsrisiken, eine geringere Leistung bei der Datenübertragung und Probleme der Datensicherheit gegenüber.
Funknetze sind nur dann sinnvoll, wenn kurzfristig und zeitlich begrenzt ein Netzwerk für eine bestimmte Veranstaltung aufgebaut werden soll oder wenn es auf die Mobilität der Endgeräte ankommt. Auch zur Netzanbindung eines Gebäudes über eine Straße oder fremde Grundstücke hinweg ist der Einsatz von Funkanwendungen sinnvoll. Für dauerhafte Installationen sind Kabel gebundene Netzwerke wegen ihrer größeren Leistungsfähigkeit und höheren Sicherheit vorzuziehen. Wer ein Funknetz betreibt, nimmt dabei eine in ihrer gesundheitlichen Wirkung unzureichend erforschte Strahlenbelastung sowie Risiken bei der Datensicherheit in Kauf und muss sich mit einer geringeren Leistung zufrieden geben.
     
Kabel- und Funknetzwerke im Vergleich
 

Kupferkabel

WLAN
(2,4 GHz)

WLAN
( 5 GHz)

Kosten Verkabelung hoch niedrig niedrig
Kosten Hardware niedrig hoch hoch
Datensicherheit hoch gering gering
Reichweite (m) 150 m
(switched)
25 m 25 m
nominelle Datenübertragungsrate 100 MBit/s 11 Mbit/s 22-55 Mbit/s
praktische erreichbare Datenübertragungsrate 90 Mbit/s 5 Mbit/s 10-25 Mbit/s
Verzögerung bei der Datenübertragung sehr gering mittel mittel
Zuverlässigkeit hoch relativ gering relativ gering
Strahlung nein ja ja
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Quellen:
www.gew-berlin.de/blz/3073.htm
http://www.mobilfunk-oldenburg.de
   
.... siehe auch:   WLAN-Access-Points können stärker strahlen als DECT!
    WLan-Technik Dr. Ing. Martin H. Virnich (PDF 156 kByte)
    Gutachten Uni Bremen (PDF, 1,14 MByte) des Nova-Instituts
    Zeitschrift ÖKO-TEST
    Vorsorgemaßnahmen der Uni Hannover
    Elektrosmog jetzt auch für Krebspatienten aus erster Hand
   

  


Helmut Langenbach  
E-Mail: strahlung.gratis@online.de